Freier Wille muss vom Gericht geprüft werden und setzt Fähigkeit zur Abwägung voraus

Bundesgerichtshof bekräftigt Kriterien zur Feststellung freien Willens gem. § 1896 Abs 1a BGB

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 16. Dezember 2015 (XII ZB 381/15) erneut der Praxis vieler Betreuungsbehörden einer Absage erteilt, den freien Willen Betroffener i.S. von § 1896 Abs 1a BGB selbst festzustellen, ein Betreuerbestellungsverfahren abzubrechen und den Fall dem Betreuungsgericht gar nicht erst vorzulegen.

„Die Feststellungen zum krankheitsbedingten Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen nach ständiger Rechtsprechung des Senats durch ein Sachverständigengutachten belegt sein“, so der 12. Senat – wie zuvor schon am 14.11.2015 (XII ZB 177/15), am 30.07.2014 (107/14) und am 22.01.2014 (632/12). Dagegen berichten bundesweit zahlreiche Mitarbeiter von Sozialleistungsträgern, dass Behördenmitarbeiter Betreuerbestellungsanregungen lapidar mit dem Hinweis zurückgewiesen hätten, die Betroffenen wünschten keine Betreuerbestellung – ohne dass Betreuungsrichter überhaupt mit dem Fall befasst und sich einen persönlichen Eindruck von den Betroffenen verschafft hätten.

Dabei hat der Bundesgerichtshof die Kriterien der Einsichts- und Handlungsfähigkeit für die Feststellung einer freien Willensbestimmung in seiner jüngsten Entscheidung noch einmal präzisiert:
„Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen.“

Im entschiedenen Fall ging es um eine Kontrollbetreuerbestellung für einen demenzerkrankten Betroffenen, dessen Vorsorgebevollmächtigter die Konten geräumt und sich testamentarisch zum Erben hatte einsetzen lassen.